
Zwischen Mental Load, Klimakrise & KI: Wie können wir den Blick für das Wesentliche schärfen und positiv bleiben, wenn rund um uns so vieles zu zerbrechen scheint? 11 Fragen und ein kraftvoller Impuls für Zuversicht in turbulenten Zeiten.
- Wie kann ich in unsicheren Zeiten Stabilität in mir finden?
- Ist Chancengleichheit eine Illusion?
- Work-Life-Balance & Proft: Wie geht sich das aus?
- Wie wird KI unsere Freundin?
- Vom Weltall aus betrachtet: Was hält die Welt zusammen?
- Von Babyboomer bis Gen Z: Was eint uns?
- Alle wollen Frieden, aber wie?
- Verbinden oder trennen unterschiedliche Meinungen?
- Wo beginnt Klimaschutz wirklich?
- Was hilft Familien, in besinnlichen Zeit nicht auszurasten?
- Was braucht unsere Gesellschaft jetzt am dringendsten?
Wie kann ich in unsicheren Zeiten Stabilität in mir finden?
"Wichtig ist es, bei sich selbst zu bleiben. Damit meine ich, den eigenen Werten entsprechend zu handeln, die eigenen Bedürfnisse, die sich in unsicheren Zeiten verändern können, wahrzunehmen und diesen Raum zu geben. Auch kann es helfen, sich auf das zu fokussieren und das zu präferieren, was einem selbst Ruhe gibt, damit die Stabilität im Inneren Zeit hat, zu wachsen. Häufig unterstützen dabei Konstante im Leben, die wir uns selbst geschaffen haben, zum Beispiel selbstfürsorgliche Verhaltensweisen und Routinen. Letztere können als Anker in unsicheren Zeiten dienen. Gerade gesundheitsfördernde Maßnahmen wie regelmäßige Bewegung, ausreichend Schlaf und eine ausgewogene Ernährung haben eine große Bedeutung, da sie einen direkten Einfluss auf die Stressregulation haben. Welche Routinen ansonsten hilfreich zum Aufbau von Stabilität sind, ist recht individuell. Für manche sind jene, die ein soziales Miteinander beinhalten, wichtig, andere wiederum fühlen sich durch soziale Verpflichtungen gestresst und finden die benötigte Sicherheit eher durch Ruhe in Meditation. Hilfreich ist daher die Frage: Was gibt mir Halt oder hat mir in früheren Zeiten zu mehr Sicherheit verholfen? Ein Blick auf bereits aus eigener Kraft bewältigte Herausforderungen kann helfen, das Selbstvertrauen und darüber die Selbstwirksamkeit zu stärken, um so optimistischer in der Zukunft blicken zu können. Auch wichtig für das eigene Wohlbefinden: Grenzen aufzeigen, um für seine Bedürfnisse einzustehen. Das ist nicht immer angenehm, lohnt sich aber langfristig. Auch sich selbst Grenzen zu setzen, ist in schwierigen Zeiten wichtig. Manchmal reicht es aber nicht aus, die Stabilität in sich selbst zu suchen. Dann darf man um Unterstützung bitten. Wir sind soziale Wesen, und Stabilität kann auch durch andere Menschen, den oder die Partner:in, Eltern, Freund:innen erlebt werden."
Von Diplom-Psychologin Sarah Willeke, die Beratung im Einzel- und Paarsetting anbietet.
Ist Chancengleichheit eine Illusion?
"Ich würde Chancengleichheit nicht als Illusion, sondern als Utopie bezeichnen. Und als eine solche kann sie als utopistische Vision einen Kompass bieten, nach dem wir uns in unserem Handeln orientieren und ausrichten können. In Österreich liegt der Fokus nicht auf Gleichberechtigung in einem legistischen Sinne: Im Grunde sind Frauen rechtlich hierzulande gleichberechtigt. Es geht vielmehr um Gleichstellung auf einer kulturellen, ökonomischen und normativen Ebene. Oft ist das Ziel feministischer Bestrebung auch nicht faktische Gleichstellung, sondern ein Anerkennen von Unterschiedlichkeit und Gleichwertigkeit trotz Unterschieden. Wenn Frauen und Männer faktisch gleichwertig behandelt würden, würde es keine Diskriminierung in der Medizin mehr geben. Frauenspezifische Erkrankungen würden gut erforscht, es gäbe gute Behandlungsmethoden, Frauen würden nicht mehr ob ihres Frau-Seins weniger ernst genommen oder schlechter behandelt. Symptome bestimmter Erkrankungen würden an Frauenkörpern genauso selbstverständlich erkannt werden wie an Männerkörpern. Wenn Frauen und Männer auch faktisch gleichberechtigt wären, würde Arbeit, vor allem auch unbezahlte, fair verteilt sein. Männer würden ihren Anteil an Care-Arbeit übernehmen, Frauen wären weniger belastet und überlastet. Der Gender-Pay-Gap wäre abgeschafft, ebenso gäbe es keinen Vermögens-Gap mehr und keinen Pensions-Gap. Frauen wären nicht mehr in wesentlich höherem Ausmaß armutsbetroffen. Eine tatsächlich gleichberechtigte Gesellschaft wäre eine ohne geschlechtsspezifische Gewalt: ohne Belästigung, ohne Vergewaltigung, ohne Gewalt in Familie und Paarbeziehungen. Es wäre eine Welt ohne ständige Angst vor dieser Gewalt und ohne ständiges Sich-Selbst-Zurechtrücken, um Gewalt zu vermeiden – im öffentlichen Raum und zu Hause. Eine Welt ohne Zwangsverheiratung, Genitalverstümmelung, ohne einengende Normen und verletzende Regeln für Frauen und Mädchen. Frauen und Männer wären in politischen Ämtern in etwa gleich repräsentiert. Frauen und Männer könnten sich auch in privaten Beziehungen viel unbelasteter begegnen – freier im Umgang miteinander und tatsächlich auf Augenhöhe."
Von Autorin Beatrice Frasl, die sich in ihrem Podcast "Große Töchter – der feministische Podcast für Österreich" mit gesellschaftspolitischen Entwicklungen beschäftigt.
Work-Life-Balance & Proft: Wie geht sich das aus?
"Studien zeigen, dass Unternehmen, die eine Work-Life-Balance aktiv unterstützen, eine höhere Produktivität und geringere Fluktuation verzeichnen. Profit und Work-Life-Balance schließen sich also keinesfalls aus – im Gegenteil, sie können einander fördern: Eine ausgeglichene Belegschaft ist langfristig widerstandsfähiger und engagierter, was sich positiv auf die Unternehmensleistung auswirkt. Maßnahmen, die dies fördern, bedeuten kurzfristig zwar einen Verlust an Produktionszeit, auf lange Sicht resultiert dies jedoch in einem stabileren Unternehmenserfolg durch gesteigerte Loyalität und reduzierte Fehlzeiten, wie eine Langzeitstudie des Corporate Leadership Council zeigt. Unternehmen wie Patagonia und Microsoft, die darauf achten, verzeichnen trotz bewusster Wachstumsbremsen hohe Loyalität und Innovationskraft. Nachhaltiger Erfolg basiert darüber hinaus aber auch auf einem Führungsstil, der Vertrauen, Wertschätzung und Eigenverantwortung in den Vordergrund stellt. Eine offene Feedback-Kultur und klare Kommunikation tragen wesentlich zur Stabilität eines Teams und damit verbunden zum Unternehmenserfolg – und Profit – bei. Wer zufrieden ist, engagiert sich mehr und ist produktiver. Viele Unternehmen und Mitarbeitende verkennen, dass Work-Life-Balance nicht nur durch flexible Arbeitszeiten erreicht wird, sondern auch die Qualität der Erholungsphasen entscheidend ist. Untersuchungen zeigen, dass digitale Erreichbarkeit und hohe Erwartungshaltung die Burn-out-Gefahr signifikant erhöhen. Eine umfassende Burn-out-Prävention erfordert eine Führungskultur, die echte Erholung ermöglicht und die Trennung von Arbeit und Freizeit fördert. Erste Schritte in diese Richtung umfassen flexible Arbeitszeiten, klare Pausenregelungen und Schulungen für Führungskräfte, um eine respektvolle und gesunde Arbeitsumgebung zu schaffen. Aus psychologischer Sicht kann auch Work-Life-Blending – bei dem die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmen – sinnvoll sein, wenn Regeln eingehalten werden. Hier ist eine Balance wichtig: Unternehmen sollten klare Richtlinien für Erreichbarkeitszeiten setzen und digitale Detox-Strategien fördern, damit Mitarbeitende ihre mentale Gesundheit schützen können."
Von Arbeitspsychologin Christine Hoffmann, die als Didaktik-Expertin unter anderem bei Teamentwicklung unterstützt.
Wie wird KI unsere Freundin?
"KI wirkt in alle Lebensbereiche. Vielen Menschen ist bewusst, dass KI-Algorithmen ihnen Vorschläge für Musik-Playlists oder zum Einkaufen machen. Weniger offensichtlich ist ihre Unterstützung und Ermöglichung wissenschaftlicher Fortschritte. Wie zum Beispiel die Analyse medizinischer Datensätze, um Krankheiten wie Alzheimer besser zu verstehen. Auch für den Kampf gegen die Klimakrise birgt KI großes Potenzial: In Kooperationen mit GeoSphere Austria etwa helfen KI-Modelle dabei, den Energiebedarf präziser vorherzusagen und Erneuerbare effizienter zu nutzen. Im Fokus der KI-Nutzung muss die Erklärbarkeit und Fairness der Algorithmen stehen. Es geht darum, nachvollziehbare Entscheidungen zu ermöglichen, etwa in der Medizin, und sicherzustellen, dass KI niemanden diskriminiert. Das erfordert interdisziplinäre Zusammenarbeit, von Informatiker:innen bis zu Ethiker:innen. Der European AI Act ist hier ein Schritt in die richtige Richtung. Es ist das weltweit erste juristische Regelsystem zur Begleitung der Entwicklung von KI-Systemen, die menschliche Werte und Ethik respektieren. Außerdem braucht die KI-Forschung an Universitäten mehr finanzielle Unterstützung und technische Ausstattung. Und: Die Gesellschaft muss befähigt werden, die Chancen und Risiken dieser Technologie realistisch zu begreifen."
Von Claudia Plant, Head Research Group Data Mining and Machine Learning an der Universität Wien, Fakultät für Informatik.
Vom Weltall aus betrachtet: Was hält die Welt zusammen?
"Aus dem Weltraum betrachtet offenbart sich die Erde in ihrer Gesamtheit und vor allem im Kontrast zur absoluten Schwärze und Lebensfeindlichkeit des Weltraums, der sie umgibt. Dadurch wird die Fragilität, aber auch die Gewaltigkeit unseres Planeten klar. Das ist der sogenannte Overview-Effekt, der oft dafür sorgt, dass Menschen, die im Weltraum waren, als Friedens- oder Umweltaktivist:innen zurückkehren. Vielleicht sieht es aus dem Weltraum so aus, als würde die Atmosphäre, das ganz schmale blaue Band, das unsere Erde umgibt, für Zusammenhalt sorgen, allerdings kommt dieser tatsächlich aus ihrem Inneren: Es ist ihre eigene Gravitation, also die Anziehungskraft ihrer eigenen Masse, die die Erde zusammenhält. Dass die Erde an ihrem Platz bleibt, dafür sorgt wiederum die Sonne. Die Planeten sind so nah an der Sonne dran, und die anderen Sterne so unfassbar weit weg, dass kein anderer Stern auch nur annähernd etwas im Sonnensystem ausrichten kann. Zur Einschätzung: Wäre die Sonne eine Orange, dann wäre die Erde etwa einen Millimeter groß und ungefähr 15 Meter von der Orange entfernt. Unser nächster Nachbarstern wäre in dem Maßstab etwa 2.500 Kilometer weit entfernt, also aus Österreich betrachtet irgendwo in Nordafrika oder am Nordkap. Mit den ersten Bildern unseres Planeten aus dem Weltraum in den 1960er- und 1970er-Jahren wurde uns vermutlich zum ersten Mal bewusst, wie unwahrscheinlich und verletzlich unsere Biosphäre und vor allem unsere Zivilisation ist. Für uns gibt es tatsächlich keinen Planet B."
Von Astronomin Ruth Grützbauch, die sich in ihrem neuen Buch "Sternenjahr auf Unsichtbar" (Aufbau Verlag, € 24,–) mit Himmelsphänomenen auseinandersetzt.


Von Babyboomer bis Gen Z: Was eint uns?
"So unterschiedlich Lebensbiografien auch sind: Ältere Menschen haben Krisen überstanden und sich immer wieder neu erfunden – diese Lebenserfahrungen können Mahnung, Empowerment oder Orientierung für Jüngere sein. Und Jüngere können Hilfestellung in einer rasant gewordenen und durchdigitalisierten Zeit bieten. Sie können mit ihrer Sicht auf die Welt und ihrem Elan aber auch bestärken oder antreiben. Mit der Arbeit an HeyNana habe ich gelernt, dass die Kraft des Generationenaustauschs unter anderem darin liegt, die Facetten ehrlich betrachten zu wollen und nicht alles zu verniedlichen. Das bedeutet auch, geschichtliche Umstände miteinzubeziehen. Kriege und Fluchterfahrungen zum Beispiel haben viele unserer Großeltern geprägt. Jede Generation besteht aus vielschichtigen Menschen mit Licht und Schatten im Lebenslauf. Ein Missverständnis, das ich häufig beobachte, ist die Annahme, dass ältere Menschen nichts mehr beizutragen hätten oder von der modernen Welt überfordert wären. Ich lerne viele agile, inspirierende und vor allem technikbegeisterte Senior:innen kennen – der springende Punkt ist die Art der Ansprache. Ist alles nur noch über QR-Code in englischer Sprache installierbar oder nimmt sich jemand Zeit zum Erklären? Schließt unsere Welt die Älteren aus oder reicht sie ihnen die Hand? Wir sind als Gesellschaft nur stark, wenn wir alle im Blick haben."
Von Edith Löhle, die auf ihrer Onlineplattform heynana.de zum Generationenaustausch einlädt.
Alle wollen Frieden, aber wie?
"Die Antwort auf diese Frage liegt nicht nur im Schweigen der Waffen, sondern in der aktiven Gestaltung einer gerechten und gleichberechtigten Gesellschaft. Ein Krieg bricht nicht aus, sondern wird gemacht, es muss für ihn mobilisiert und er muss finanziert werden. Aber auch Frieden fällt nicht vom Himmel, sondern ist ein Prozess, den wir aktiv gestalten, einfordern und mit Leben füllen müssen. Eine essenzielle Voraussetzung dafür: umfassende Friedensbildung. Demokratie verlangt, dass wir sie immer wieder neu einüben und leben. Menschen müssen die Mechanismen von Macht und Gewalt verstehen, politische Bildung muss die Zusammenhänge zwischen Krieg, Ungleichheit und wirtschaftlichen Interessen offenlegen. Sie muss Debatten über Menschenrechte, Kinder- und Frauenrechte, politische Prozesse und globale Gerechtigkeit anstoßen. Anhaltender und substanzieller Frieden ist nicht ohne Gerechtigkeit zu haben, das gilt für Mikrokonflikte etwa in Familien, Beziehungen oder am Arbeitsplatz genauso wie in der internationalen Politik. Was aber können wir als Einzelpersonen und Gemeinschaft aktiv zum Frieden beitragen? Zuallererst müssen wir uns den aktuell vielfältigen Formen der Militarisierung entgegenstellen, ihnen widersprechen. Seit dem Überfall der Russischen Föderation auf die Ukraine wird in Europa und auch im neutralen Staat Österreich für die Normalität des Krieges mobilisiert. Milliarden fließen in Rüstungskonzerne und Militärausgaben, während Budgets für Gesundheit, Bildung und Soziales weiter schrumpfen. Und wir können Kampagnen der Zivilgesellschaft unterstützen, wie beispielsweise jene gegen die Weiterentwicklung und Anwendung sogenannter Killerroboter oder lokale Friedensinitiativen in Gemeinden, Pfarren oder Vereinen. Was es auch braucht, ist ein anderes Verständnis von Konflikten. Diese gehören zum Leben in Alltag und Politik dazu, denn notwendigerweise wird es immer unterschiedliche Erfahrungen, Positionen und auch Interessen geben. Wie wir in diesen Konflikten miteinander und auch mit Widersprüchen umgehen, ist eine andere Frage, die nicht zwingend mit Macht und vor allem nicht mit Gewalt beantwortet werden muss. Ich bin überzeugt: Konflikttransformation kann erlernt und muss gelebt werden."
Von Claudia Brunner, Professorin am Zentrum für Friedensforschung und Friedensbildung der Universität Klagenfurt.
Verbinden oder trennen unterschiedliche Meinungen?
"Wahlergebnisse wie jene in den USA, aber auch in Deutschland und Österreich, gelten als Beweis für eine Schieflage unserer Gesellschaft. Parteien rücken an die Ränder des politischen Spektrums, sei es nach rechts oder links. Das erzeugt ein verfahrenes Bild einer zerstrittenen Bevölkerung. Empirische Befunde zeigen allerdings ein anderes Bild. Menschen unterschiedlichster Ansichten und Lebensweisen leben heute viel selbstverständlicher Tür an Tür als noch in früheren Jahren. Migration, sozialer Aufstieg und die Individualisierung der Lebensstile haben unsere Gesellschaft bunter und vielfältiger gemacht. Neue Medien geben Gruppen erst die Möglichkeit, ihre Ansichten und Meinungen in den öffentlichen Diskurs einzubringen, sich zu organisieren und dadurch auch zum politischen oder wirtschaftlichen Faktor zu werden. Was richtig oder falsch ist, was sich gehört oder verpönt ist, bestimmen heute nicht mehr wenige an der Spitze eines Staates, sondern wir alle. Im besten Fall geprägt von Toleranz und Respekt. Diese gesellschaftlichen Veränderungsprozesse verunsichern aber auch. Vor allem jene, die bisher gewohnt waren, die Regeln zu machen. Die Politik hat erkannt, dass kurzfristiger Erfolg leichter zu erreichen ist, wenn sie mit Feindbildern nur einen Teil der Gesellschaft anspricht und mobilisiert. Digitale Plattformen ermöglichen und treiben diese Zuspitzung voran, wie es zuvor nie möglich war. Um sozialen und politischen Frieden künftig zu erhalten, braucht es mehr persönliche Gespräche und vor allem Politiker:innen, die mehr Anstrengung in die Suche nach Gemeinsamkeiten investieren als in Unterschiede."
Von Kathrin Stainer-Hämmerle, Politik- und Rechtswissenschafterin, Professorin für Politikwissenschaft an der Fachhochschule Kärnten in Villach.
Wo beginnt Klimaschutz wirklich?
"Eine nachhaltige Welt zu schaffen, erfordert eine Volltransformation unseres Wirtschaftens und Denkens. Es ist unerlässlich, dass jeder etwas dazu beiträgt: Nur das Nötigste einkaufen und auf haltbare, reparierbare Produkte und biologische Lebensmittel der Saison achten. Auch beim Wohnen kann man Energie sparen, wenn man Wärmedämmung und Erneuerbare Energien nutzt. Bei der Mobilität, so weit wie möglich, Wege zu Fuß, mit dem Rad oder den Öffis zurücklegen sowie Flüge und Kreuzfahrten vermeiden. Es ist allerdings die Aufgabe der Politik, nachhaltiges klima- und umweltfreundliches Handeln zur selbstverständlichen Wahl zu machen, indem es bequemer, billiger und attraktiver wird. Das heißt, gesunde Nahrung muss günstiger als andere sein, die Bushaltestelle näher als der Parkplatz ... Auch Unternehmen müssen motiviert werden, Angebote bereitzustellen, weil Nachhaltigkeit zum Beispiel neben einem finanziellen Gewinn steuerlich belohnt wird. Aber um die Politik zum Handeln und die Wirtschaft zum Umdenken zu bringen, ist es nötig, über das eigene Tun hinauszuwirken und darüber zu sprechen. Werden wir zu den Menschen, die sich um Nachhaltigkeit bemühen, im Job oder der Gemeinde Verbesserungsvorschläge unterbreiten, Petitionen unterstützen und bei Demonstrationen mitmachen oder sie organisieren. Als eines der reichsten Länder der Welt, gesegnet mit großartiger Natur und einer Bevölkerung mit hohem Umweltbewusstsein, sollten wir als Vorbild mit gutem Beispiel vorangehen."
Von Helga Kromp-Kolb, Meteorologin und Klimaforscherin sowie Präsidentin des Forums Wissenschaft & Umwelt.
Was hilft Familien, in besinnlichen Zeit nicht auszurasten?
"Die Feiertage, die oft als Zeit der Freude und Zusammenkunft gefeiert werden, bringen für viele großen Stress und auch Konflikte mit sich – insbesondere, wenn das Familienleben unausgewogen organisiert ist und der ‚Mental Load‘ sich auf eine:n Partner:in konzentriert. Um den Weihnachtsstress zu bewältigen und die nächsten Wochen entspannter zu gestalten, ist ein erster Schritt, den eigenen Ansprüchen gegenüber achtsamer zu werden. Die Frage, ob es als Elternteil erlaubt ist, auch einmal auszurasten, wenn der Stress zu groß wird, ist verständlich und betrifft viele. In der Realität sind Überforderung und Frust normale Begleiter eines fordernden Alltags. Doch möchte ich hier eher einladen, die Stressoren und eigenen Erwartungen und Vorstellungen zu hinterfragen, als einen Freibrief zum Explodieren auszustellen. Wenn man sich immer zurückhalten und alles aushalten muss, ohne eigene Grenzen zu beachten, kann das auf Dauer schädlich sein – sowohl für die eigene Gesundheit als auch für die Beziehung zu den Kindern. Ein emotionales Ventil ist durchaus menschlich, und Kinder erleben dabei authentische Emotionen. Wichtig ist jedoch, nach einem solchen Moment den Kontakt zu den Kindern zu suchen und zu erklären, warum es dazu gekommen ist, um ihnen zu zeigen, dass auch Eltern Fehler machen und Verantwortung übernehmen. Diese offenen Gespräche fördern ein Verständnis für Emotionen und Konflikte und vermitteln Kindern, dass auch sie ihre Gefühle ausdrücken dürfen."
Von Sandra Teml-Wall, Einzel- und Paarcoach sowie Eltern- und Familienberaterin mit eigener Praxis, der "Wertschätzungszone".
Was braucht unsere Gesellschaft jetzt am dringendsten?
"Das Dringendste, was jetzt zu tun ist: unseren CO2-Ausstoß schnellstmöglich auf null zu bringen. Die entsprechenden Folgen zu managen und die Kosten des Umbaus sozial fair zu verteilen. Wir brauchen eine ökosoziale Transformation unserer Wirtschaft. Ein wesentlicher Baustein dafür ist ein gerechtes Steuersystem als Fundament eines solidarischen Miteinanders. Wenn die großen Vermögen und Unternehmen ihren fairen Anteil leisten, können wir das Land so umbauen, dass wir die Lebensbedingungen aller verbessern und das Klima schützen. Wenn jene, die ohnehin wenig haben, nicht weiter belastet werden, und die stärkeren Schultern mehr tragen, stärkt das den gesellschaftlichen Zusammenhalt und unser Vertrauen in die Demokratie. Machen wir weiter wie bisher, werden weite Teile unseres Planeten durch extreme Hitze unbewohnbar sein. Wirbelstürme und Überschwemmungen werden immer mehr Opfer fordern. Hungersnöte und Wasserknappheit werden immer häufiger auftreten. Millionen Menschen werden sich als Klimaflüchtlinge auf den Weg machen müssen. Wie lange halten das Demokratien unseres Zuschnitts aus? Dazu kommt: Unser Wirtschaftssystem ist durchaus empfindlich für Schocks, wie die Teuerungswelle, ausgelöst durch die Gaskrise, jüngst wieder gezeigt hat. Eine ungebremste Klimakrise ist nicht ,gut für die Wirtschaft‘. Zu sagen, wir können oder wollen uns Klimaschutz nicht leisten, wir haben lieber Wohlstand, und dafür wird es halt ein bisschen wärmer – diese Option gibt es schlicht nicht. Verwerfungen wird es auf jeden Fall geben. Die Frage ist nur: Multiplizieren wir die Klimakatastrophe mit einer sozialen Katastrophe – oder nicht?"
Von Barbara Blaha, Leiterin des Momentum-Instituts. Sie ist Autorin und arbeitet an der Schnittstelle von Wissenschaft und Politik.
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Über die Autor:innen

Nina Horcher
Nina schreibt für WOMAN für das Ressort Porträts & Reportagen.

Angelika Strobl
Angelika schreibt für WOMAN für das Ressort Porträts & Reportagen.

Andrea Wipplinger-Penz
Andrea schreibt für WOMAN für das Ressort Porträts & Reportagen.

Elisabeth Mittendorfer
Elisabeth schreibt als leitende Redakteurin für WOMAN für das Ressort Porträts & Reportagen.