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"Mein geliebtes Baby, bitte verzeih meine Wut, weil ich müde war!"

Wie unfassbar müde und erschöpft man überhaupt sein kann, erlebt man erst, wenn man ein Baby hat. Aber diese Erschöpfung kann sich in Wut verwandeln.

von

weinendes Kind
© iStockphoto.com

Eine Geschichte wie diese werden wohl fast alle Mütter kennen. Kaum eine spricht jedoch öffentlich darüber, was pure Erschöpfung für Eltern bedeuten kann. Wenn die Nerven vor lauter Müdigkeit blank liegen und das Baby gerade dann weint und schreit und man nicht mehr die Kraft hat, die Ruhe und Liebe zu geben, die es nun brauchen würde. Man spricht nicht öffentlich darüber, weil man schnell als "schlechte Mutter" abgestempelt wird. Dabei finden sich wohl fast alle Mütter in der in oder anderen Form in diesem bewegenden und sehr ehrlichen Brief an das eigene Kind wieder:

"Mein liebes, mein heiß geliebtes Baby,

Meine kleine niedliche Speckbohne, mein Böhnopterix. Letzte Nacht tut mir von Herzen leid. Ich weiß weder, wie ich es erklären soll, noch, wie ich das wieder gerade biegen soll. Weil mein Herz Erleichterung braucht, schreibe ich Dir. Ich hoffe, Du fühlst, was Du noch nicht verstehen kannst. Ich hoffe, ich kann Dir zukuscheln, was ich Dir nicht erklären kann.

Weißt Du, mein Kind, es gibt keine Entschuldigung für gestern Nacht. Nicht eine einzige. Ich will auch keine Absolution für mein Verhalten. Ich will Dir aber die Gründe erklären. Habe das Gefühl, wenn ich sie Dir schreibe, kann ich sie hinter mir lassen und heute Nacht besser für Dich da sein. Das ist einen Versuch wert, oder?

Böhnchen, dieser Monat war hart. Es sind lauter Erwachsenen-Dinge passiert. Geplante und ungeplante (Waschmaschine. Autounfall. Bienenumzug.). Und ausgerechnet die letzten zwei Nächte waren wirklich hart. Nach einer körperlich ungewohnt anstrengenden Garten Woche hatten wir am Freitag einen Unfall. Ich bin unendlich dankbar, dass keiner von uns verletzt ist. Aaaaaber weil ich unser Auto zu Schrott gefahren habe, mussten wir (Dank großartiger Hilfe!!!) den geplanten und dringend nötigen Umzug der Bienen… Ähm… Flexibel umsortieren. Wir mussten Samstag morgen um halb vier aufstehen und keiner von uns kam bis zum Abend noch wirklich dazu, etwas Schlaf nachzuholen. Obwohl ich mich ein bisschen gefühlt habe, als wäre ich einmal durch den Fleischwolf gedreht worden, sind wir mit dem Rad zu unseren liebsten Freunden und haben dort einen schönen Abend genossen. Wir sind mit dem Rad wieder zurück und ich habe gemerkt, wie die Anspannung der letzten Tage einer bleiernen Erschöpfung wich. Du warst auch erschöpft, ich weiß das.

»Was ich noch nicht wusste, war, WIE erschöpft ich wirklich war. Das merkte ich erst, als Du knapp anderthalb Stunden nachdem wir zusammen ins Bett sind, aufgewacht bist und geweint hast. «

Was ich noch nicht wusste, war, WIE erschöpft ich wirklich war. Das merkte ich erst, als Du knapp anderthalb Stunden nachdem wir zusammen ins Bett sind, aufgewacht bist und geweint hast. Es war gerade zwei Uhr. Und nach kaum ein paar Minuten fühlte ich nicht mehr wie sonst mit dir, weil Du traurig warst. Ich hatte nicht wie sonst die Geduld, dich zärtlich zu trösten und in den Schlaf zu wiegen.

Mein Baby, ich war so müde. Aber das hatte nichts mit Dir zu tun. Deswegen brennt der Gedanke, dass Du meine Müdigkeit dennoch ausbaden musstest so heiß und schamvoll. Ich will nicht, dass jemand mir sagt, dass das schon okay sei. Ich weiß, dass die Welt trotz gestern Nacht nicht untergehen wird. Aber ich will die Dinge beim Namen nennen. Auch und gerade dann, wenn die Dinge richtig scheiße liefen. Gestern Nacht lief miserabel.

Ich weiß nicht, warum es so ist, aber ab einer gewissen Erschöpfung verliere ich jede Fähigkeit zum Mitgefühl. Ich sehe Dich weinen und mein Kopf weiß, dass Du unglücklich bist und deine Mama brauchst. Aber etwas anderes in mir wird darüber nicht mitfühlend, sondern stinkwütend. Ich werde so sauer auf alles und jeden, weil ich einfach so scheiße müde bin, dass ich kaum die Augen offen halten kann. Aber ich muss trotzdem Mutter von drei Kindern sein, egal ob sie wach sind oder schlafen. Ich werde rasend und grob. Ich habe Dich weinend mitten ins Wohnzimmer gesetzt, als ich Dich nicht beruhigen konnte und habe mich auf dem Sofa versteckt. Ich habe durch die müden Hände vor dem Gesicht zugesehen, wie Du weinend auf der Suche nach diesem Menschen, der sonst immer da ist, durch das Zimmer gekrabbelt bist. Baby, Du warst so traurig! Und ich? Ich war nicht im Stande, für Dich da zu sein. Stattdessen habe ich Dich geschimpft. Geschrien. Dich alleine gelassen. Deinem Papa ein todunglückliches, weinendes Baby auf die Brust gerückt und gesagt: „Geht weg. Beide.“

»Eigentlich bin ich dieser Mensch, der Dich immer tröstet und auffängt. Wirklich! Aber gestern Nacht ging furchtbar schief. «

Ach mein Böhnchen. Nochmal: ich will nicht hören, dass das alles okay ist. Das ist es nicht. Ich will Dir nur ganz dringend sagen: Eigentlich bin ich dieser Mensch, der Dich immer tröstet und auffängt. Wirklich! Aber gestern Nacht ging furchtbar schief. Und das tut mir furchtbar leid. Bei jedem meiner Kinder ist mir so eine Nacht bisher passiert, aber ich hatte sehr gehofft, ich wüsste es diesmal besser. Überhaupt, so lange (sechs Monate) habe ich noch bei keinem Kind vor dem ersten elterlichen Meltdown durchgehalten. Ich bin seit sechs Monaten noch ein Kind mehr müde. Aber da kannst Du nix für. Deswegen blutet mein Herz. Deswegen tut es mir leid.

Du, lieber Böhnopterix, bist ein Kind der Freude und Liebe. Das ist unfassbar viel Glück und es ist unglaublich viel Zuneigung, um die Du uns bereichert hast. Ich wünschte, ich hätte diesmal die Freude und Liebe ungetrübt Nacht für Nacht immer wieder trösten und wiegen können. Hat wieder nicht geklappt. Aber morgen, morgen Nacht werde ich wieder besser sein. Versprochen.

Böhnchen. Ich hab Dich sehr lieb. Und ich tue mein Bestes. Auch wenn es nicht immer reicht.

Ich küsse Dich. Deine Mama Juja"

Dieser Brief wurde zuerst auf dem Blog "Mama Juja" veröffentlicht, worin die dreifache Mutter Julia sich immer wieder Gedanken, Erlebnisse und mehr über ihre Familie und das Leben mit Kindern mit viel Humor und Gefühl von der Seele schreibt und sich genau damit direkt in unser Herz geschrieben hat!

Thema: Eltern
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